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Ways of Hands’ Writing

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Mit der Hand schreiben. Mit den Händen schreiben. Nein, hier soll es nicht um Handschrift gehen, sondern um’s Tippen. Ich weiß nicht, ob die Schreibforschung oder die Schreibgeräteforschung sich damit schon auseinander gesetzt hat aber auf dem Heimweg reifte langsam der Gedanke in mir, dass es eine Sprachlichkeit von (einigen) Medienskills geben muss.

Wieder wach gerufen wurde der Gedanke vor einigen Wochen, als ich auf dem IVG in Shanghai den Vortrag von Ruth Ayaß zu “Schreibapparaten” gehört habe. Sie zeigte darin ein paar nette Aufnahmen, die unter Experimentalbedingungen dokumentierten, wie Schreiber oder besser Tipper mit unterschiedlichen Tastaturen umgingen, unterschiedliche Tipp- und Wisch-Techniken anwandten und ausprobierten und auch ihre jeweiligen Probleme hatten, sich dem jeweiligen Gerät mit seinen je eigenen Tastaturen und Tipp-Features anzupassen. Leute, die mit 10 Fingern hatten tippen gelernt, konnte diese Technik nicht einfach aufs Tablet übertragen, sondern saßen wie Neulinge vor den digitalen Tastaturen und kehrten zum Einfingersuchsystem ‘zurück’. Oder Daniel Perrin: Er äußerte eine ungläubige Skepsis darüber, wie man es sich antun könne, mit Wischbewegungen auf einem Touchscreen zu ehm… ‘tippen’.

Aber die Entwicklung der unterschiedlichen Tastaturtypen auf den diversesten Geräten – von der Wählscheibe über den T9-Ziffernblock bis zum QUERTY/Z-Standard1 – hat immer wieder gezeigt, wie schnell sich Nutzer_innen / Schreiber_innen / Tipper_innen an diese unterschiedlichen Typen anpassen können und mitunter geradezu virtuose Fähigkeiten entwickeln. Kleinste Ausrichtungs-, Bewegungs- und Vektorenunterschiede, die die Finger in die richtige Position bringen, um die entsprechende Taste zu treffen, werden derart automatisiert, dass vollkommen unabhängig von einer bewussten Such- und Finde-Steuerung auf dem Bildschirm erscheint, was gerade geschrieben werden soll.

Daraus lässt sich natürlich auch ein allgemeinerer Claim machen: Jedes technische Medium, jedes Werkzeug, Musikinstrument, ja jede sozialisierte Materie durchläuft so einen Aneignungsprozess, nötigt den Nutzer_innen, Handwerker_innen, Musiker_innen, ja jedem Menschen ab, sich auf diese einzustellen, sich deren Bedingungen anzupassen, will man sie denn nutzen. Domestikation “geschieht – wenn sie geschieht – wechselseitig und damit rekursiv” oder gar nicht (Schüttpelz 2006). Wir müssen uns daran anpassen, wie wir die Welt anpassen.

Für das Tippen auf meiner Laptop-Tastatur habe ich nun schon des öfteren etwas beobachtet, dass diese Fähigkeitsausbildung geradezu als Abrichtung erscheinen lässt. Nicht nur ist es recht merkwürdig, auf welche Art und Weise ich mir angewöhnt habe, meine 10 Finger einzusetzen, um die Tastatur zu nutzen: Seltsamerweise nutze ich nämlich – und während des Schreibens darauf zu achten, ist nicht so einfach, aber doch in situ am fruchtbarsten –  an meiner linken Hand im Wesentlichen meinen Mittelfinger für die Bearbeitung der gesamten linken Tastaturhälfte – und das 1., obwohl ich (weitgehend) Linkshänder bin und 2., obwohl man sagt, dass die QUERTY/Z-Tastatur für Linkshänder_innen europäischer Sprachen besser geeignet sei, als für Rechtshänder_innen. Zudem liegt mein Zeigefinger dabei konstant auf dem Mittelfinger auf, während die anderen Finger recht ungenutzt in der Schwebe gehalten werden. Die Rechte ist demgegenüber äußert aktiv. Nicht immer aber doch weitgehend so blind aktiv, wie dies die Linke vermag, und dabei vor allem die Zeige-, Mittel- und Ringfinger nutzend. Ich habe auch schon beobachtet, dass das keineswegs auf allen PC- oder Laptop-Tastaturen gleich läuft. Je nach Breite der Tastatur und meiner eigenen Positur, können sämtliche Finger auch unterschiedlich intensiv zum Einsatz kommen. Aber genug dieser Moores’schen (2014) Übung.

Neben dieser eigenwilligen Fingertechnik viel mir des öfteren im alltäglichen Schreiben2 auf Englisch etwas anderes auf: Offenbar kommt es zu ganz spezifischen Interferenzen zwischen meinen Tippskills und der verwendeten Sprache. Die Tatsache, dass das Englische und das Deutsche verhältnismäßig nah verwandt sind, mag das begünstigen. Immer wieder fällt mir beim Englischen tippen auf, wie ich vollautomatisch in einen englischen Satz ein deutsches Wort tippe. So schnell kann ich gar nicht schauen, da steht da ich statt I oder für statt for – dabei handelt es sich um recht distinkte Bewegungen, die die Buchstabenunterschiede bedeuten. Gerade der ichI-Unterschied ist frappierend! Es wäre ja viel ökonomischer nur den einen, eigentlich angestrebten Buchstaben zu schreiben statt gleich drei hintereinander. Aber die Tipproutine für die Sprecherdeixis scheint derartig automatisiert zu sein, dass sie mir sogar ins Tippen ‘rutscht’, wenn ich die Sprecherdeixis in der Fremdsprache schreiben möchte. — Der simple Grund dafür ist natürlich, dass ich bei Weitem nicht so viel auf Englisch schreibe/tippewie auf Deutsch. Aber das ist natürlich der weniger spannende Punkt. — Ich meine vergleichbare Phänomene auch schon in meiner Handschrift beobachtet zu haben. Notizen oder Passagen, die ich auf Englisch in mein Notizbuch schreibe, weisen Stiftführungsirrtümer auf, die bspw. für das Deutsche ungewöhnliche Vokalkombinationen – on the flow – zu bewältigen versuchen.

Aber all diese Beobachtungen sind natürlich lediglich Selbstbeobachtungen und damit zu einem gewissen Grad perspektivisch korrumpiert. Aber es ist immer wieder spannend, zu beobachten, auf welche Art und Weise im zweitsprachigen Tippen das embodied knowledge meiner tippenden Finger konfligiert mit meinem sprachlichen Wissen. Und auch hier kann man den Claim wohl noch etwas dehnen: Mein sprachliches Wissen ist selbstverständlich genauso “embodied” wie meine Tippskills. Allein bspw. die Fähigkeit zu erwerben, den biologischen Artikulationsapparat derart auf die Nicht-Muttersprache zu trainieren, um eine einigermaßen vertretbare Aussprache hinzubekommen, ist eine – bei unterschiedlichen Sprachenpaaren – nicht unerhebliche Herausforderung (siehe Tonsprachen). Das trifft natürlich auch rezeptiv zu.

Auf genau dieselbe Art und Weise lernen wir in Auseinandersetzung mit unseren Tipp-Geräten die je unterschiedlichen Routinen, die eine andere Sprache unseren Fingern zumutet. Gewissermaßen eine Sprachlichkeit unserer Finger…

Landscape

Moores, Shaune (2014): Digital orientations: “Ways of the hand” and practical knowing in media uses and other manual activities. In: Mobile Media and Communication 2(2), S. 196-208.

Schüttpelz, Erhard (2006): Die medienanthropologische Kehre der Kulturtechniken. In: Archiv für Mediengeschichte 6/2006, S. 87-110.

  1. Soll keine historische Reihung sein, sondern lediglich eine, die Typenvielfalt andeutet.
  2. Es geht hier also nicht um arbeitsbezogene Paper oder dergleichen sondern vor allem um’s Chatten, dass auch – tipptechnisch – schon auf Deutsch sehr viel flüssiger möglich ist, als einen Artikel oder die Diss zu schreiben.

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